Der freiwillige CO2-Zertifikatemarkt

Um zu erklären, wie der freiwillige Kohlenstoffmarkt funktioniert, lassen wir einen ausgewiesenen Spezialisten zu Wort kommen. Wir danken Nicolas Kompalitch für den folgenden Text. Er ist CEO von Canopy Energies, welche künftig CO2-Zertifikate von ADES ausserhalb der DACH Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) vertreiben wird. Canopy Energies hat es sich zum Ziel gesetzt, durch die Erzeugung sauberer Energie und die Reduktion von Kohlenstoffemissionen, der globalen Erwärmung entgegen zu wirken. Wir danken Nicolas herzlich für seinen Beitrag für den ADES Blog. Der folgende Text ist aus dem Französischen übersetzt (und die Grafik zur Funktionsweise des freiwilligen Kohlenstoffmarktes ist auf Französisch).

Die alarmierenden Berichte des Weltklimarats (IPCC) weisen auf die Dringlichkeit von Massnahmen hin, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.

 Um dieses Ziel zu erreichen, sind wir darauf angewiesen, Lösungen zur Reduktion unserer globalen CO2-Emissionen zu finden. In diesem Zusammenhang werden derzeit verschiedene Mechanismen entwickelt, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die aufgrund menschlicher Aktivitäten die Hauptursache für die globale Erwärmung sind.

Ein freiwilliger Markt

Der freiwillige Markt für CO2-Zertifikate  (Voluntary Carbon Market, VCM) ist einer dieser Finanzmechanismen. Er ist ein Handelssystem, das Private und Unternehmen dazu veranlasst, Projekte zu finanzieren, die Treibhausgasemissionen reduzieren oder CO2 binden und so dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Dies ermöglicht es Unternehmen auch, ihr Engagement für Nachhaltigkeit und die Reduzierung von  CO2-Emissionen zu unterstreichen.

Für jede Tonne CO2, die durch ein Projekt reduziert oder vermieden wird, stellen Zertifizierungsstellen wie Verra oder Gold Standard dem Projektträger Zertifikate aus. Diese Zertifikate, die nach der Verifizierung dieser Projekte generiert werden, ermöglichen es, die Auswirkungen der durchgeführten Aktivitäten zu quantifizieren und zu formalisieren: Sie beweisen den Unternehmen, die das Projekt finanziert haben, dass die Massnahme durchgeführt wurde.

Auf der Angebotsseite sind die Projektträger sehr vielfältig und ihre Projekte decken in der Regel Entwicklungsländer ab. Die entwickelten Projekte müssen strengen Förderkriterien entsprechen und die Bindung von Kohlenstoff (Wiederaufforstung, …) oder die Vermeidung von Treibhausgasemissionen (verbesserte Kocher, erneuerbare Energien, …) ermöglichen. Um Finanzierungen zu erhalten, können die Projektträger diese Emissionsgutschriften daher auf dem VCM weiterverkaufen.

Im Gegensatz zum regulierten Markt für CO2-Zertifikate, der Ländern oder privaten Akteuren von Regierungs- oder Finanzinstanzen aufgezwungen wird, beruht der VCM auf der freien Wahl und dem Willen der Käufer, auch ohne jegliche gesetzliche Auflagen Projekte zu finanzieren.

Der Preis von Gutschriften

Ein Kohlenstoffguthaben entspricht einer Tonne Kohlendioxid, die durch ein Projekt gebunden oder vermieden wird. Der durchschnittliche Preis für einen Emissionsgutschein lag 2022 nach internationalen Standards bei 4,95 €/tCO2eq (Tonne Kohlenstoffäquivalent). Die Preise für diese Gutschriften variieren jedoch, je nach Art des Projekts, seinem Standort sowie seinen sozioökonomischen und ökologischen Aspekten.

Geschichte und Entwicklung

Der Markt entstand im Anschluss an das Kyoto-Protokoll, das 1997 verabschiedet wurde und 2005 in Kraft trat und das erste multilaterale Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf internationaler Ebene war. Ab diesem Zeitpunkt entstanden die regulierten oder freiwilligen Kohlenstoffmärkte erst richtig. Als Reaktion auf die wachsende Besorgnis über den Klimawandel und den Druck auf private und öffentliche Akteure, ihre Emissionen zu reduzieren, zu vermeiden und auszugleichen, hat der VCM insbesondere seit 2020 einen erheblichen Aufschwung erlebt. In den letzten zehn Jahren wurden nach Angaben des Unternehmens South Pole 836 Millionen Tonnen CO2 mithilfe des VCM vermieden oder gebunden.

Der VCM bietet zahlreiche Vorteile. Er bietet nicht nur eine Plattform auf freiwilliger Basis, um das Engagement im Kampf gegen den Klimawandel zu stärken, sondern schafft durch die Bepreisung von CO2-Emissionen auch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten für Umweltinitiativen. Der VCM geht also über die obligatorischen Regelungen zur Treibhausgasreduktion hinaus. Dieser Ansatz schafft einen Anreiz für eine Reihe zusätzlicher Akteure, durch die Finanzierung von Projekten zur Reduzierung, Bindung und Vermeidung von Treibhausgasen beizutragen.

Fallstudie: Die Entwicklung des Markts für CO2-Zertifikate es in der Schweiz

Die Schweiz spielte eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel, indem sie sich das Ziel setzte, ihre Treibhausgasemissionen zwischen 2008 und 2012 um 8 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Mit dieser Verpflichtung sollten die 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls angekündigten Ziele erreicht werden. Bereits 1999 wurde das Bundesgesetz über die Reduktion von Treibhausgasen (CO2-Gesetz) verabschiedet, um finanzielle Anreize wie Steuererleichterungen zu schaffen und Unternehmen dazu zu bewegen, ihre Emissionen zu reduzieren. Dieses Gesetz definiert ein vom Schweizer Bundesrat anerkanntes Emissionszertifikatesystem, bei dem Emissionszuteilungen als handelbare Rechte erhoben werden. Diese ermöglichen es den betroffenen Unternehmen, Treibhausgasemissionen auszugleichen. Die Zuteilungen sind handelbar, daher können Unternehmen, die ihre Treibhausgasemissionen reduziert haben, ohne ihre Obergrenze zu erreichen, die überschüssigen Emissionen an Unternehmen verkaufen, die ihre Emissionen ausgleichen müssen. Das Gesetz zielt vor allem auf Unternehmen aus dem Bereich der Wärmeerzeugung und der Industrie ab (mit dem Ziel, den Anteil der Treibhausgasemissionen um 8 Prozent zu reduzieren).

Am 1. Januar 2008 wurde in der Schweiz ein Emissionshandelssystem (ETS) eingeführt, welches es den vom Gesetz betroffenen Unternehmen ermöglicht, freiwillig zur Treibhausgasreduktion beizutragen. Im Gegensatz zu der im Land durch das CO2-Gesetz festgelegten Obergrenze blieb das Schweizer ETS bis 2012 freiwillig. Seitdem wurde das Gesetz mehrfach überarbeitet, um sich den europäischen Mechanismen anzunähern und sich möglicherweise dem Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS, Emissions Trading Scheme) anzuschliessen.

Es gibt mehrere Unterschiede zwischen der Funktionsweise des europäischen und des schweizerischen Markts für CO2-Zertifikate. Erstens unterscheidet der europäische Markt zwischen einem freiwilligen und einem regulierten Markt, was sich auf den Prozess der Gutschriftenzuteilung auswirkt. Gutschriften aus einem regulierten Markt werden durch Auktionen ausgegeben, während im freiwilligen Markt unabhängige Organisationen die Anzahl der zu verteilenden Gutschriften anhand von Analysen und Audits festlegen. Die Schweiz hingegen unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Märkten. Darüber hinaus betrachtet die Schweiz Zertifikate für Emissionsgutschriften nicht als Finanzinstrumente. Die Architektur rund um diese Zertifikate ist daher je nach Land besonders, und eine Anpassung an das politische Umfeld der Schweiz wäre notwendig, um sich dem europäischen Markt anzunähern.

Die Integrität und Glaubwürdigkeit von Projekten auf dem VCM und die Rolle der Zertifizierer

Um Zugang zu diesen Märkten zu erhalten, lassen die Projektträger ihre Initiativen von Zertifizierungsstellen zertifizieren. Diese Standards legen Eignungskriterien fest, die sicherstellen, dass ein Projekt finanziert, implementiert und für eine Mindestdauer betrieben wird, bevor es Emissionsgutschriften erhält. Die Zertifizierungsstelle prüft die Besonderheiten des Projekts streng und vergibt Emissionsgutschriften auf der Grundlage der vermiedenen oder gebundenen Kohlenstoffemissionen, die durch regelmässige unabhängige Prüfungen verifiziert und von den Kohlenstoffstandards genehmigt werden. Auf diese Weise belegen die Emissionsgutschriften eine bereits erzielte und nachgewiesene Wirkung und sichern die Glaubwürdigkeit von Umweltinitiativen.

Die Standards, von denen die bekanntesten Gold Standard und Verra (auch bekannt als VCS, Verified Carbon Standards) sind, legen ihre eigenen Kriterien für die Berechtigung fest. Es gibt jedoch grundlegende Kriterien, die allen Standards gemeinsam sind, um die Glaubwürdigkeit und Integrität der Projekte zu gewährleisten: Messbarkeit, Überprüfbarkeit, Dauerhaftigkeit und Zusätzlichkeit:

Messbarkeit und Überprüfbarkeit: Die Methoden, die verwendet werden, um die projektbezogenen Kohlenstoffemissionen zu messen und zu quantifizieren, müssen transparent, detailliert und leicht zugänglich sein. Die Glaubwürdigkeit der CO2-Gutschriften wird gestärkt und gewährleistet, wenn Daten durch externe Stellen Audits verifiziert werden.

Dauerhaftigkeit: Die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen ist irreversibel, d. h. der eingefangene oder vermiedene Kohlenstoff kann nicht in die Atmosphäre freigesetzt werden.

Zusätzlichkeit: Die vermiedenen, reduzierten oder eingefangenen Kohlenstoffemissionen wären ohne die Umsetzung des Projekts nicht möglich gewesen.

Die Standards für die Verifizierung

Mit 200 Millionen ausgegebenen Emissionsgutschriften von Verra und 100 Millionen von Gold Standard haben beide Siegel eine hohe Glaubwürdigkeit erlangt und werden nun international als die wichtigsten Akteure in diesem Bereich anerkannt. Dies ist auf ihr Engagement zur Förderung der Transparenz und Zuverlässigkeit der von ihnen vergebenen Gutschriften, ihre robusten Methoden und ihre anspruchsvolle Überwachung über die gesamte Lebensdauer der Projekte zurückzuführen.

Die Kohlenstoffstandards unterscheiden sich durch ihre spezifischen Anforderungskriterien und ihre Erfahrung in verschiedenen Bereichen. So stellt der Gold Standard beispielsweise besonders hohe Anforderungen an die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusatznutzen und die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung. Alle Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung, die nicht direkt in vermiedenen oder gebundenen Kohlenstoffemissionen bestehen, werden als Zusatznutzen definiert. So sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Förderung des Zugangs zu Bildung oder Gesundheit und alle anderen Beiträge, die mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen in Verbindung stehen, wertvolle Pluspunkte, um die Projektfinanzierung zu fördern.

Zusätzlich zu den grossen Akteuren auf diesem Markt gibt es ergänzende Standards, deren Anforderungen sich auf spezifischere Aspekte beziehen. Der von Verra verwaltete CCB (Climate, Community, and Biodiversity) beispielsweise achtet besonders auf den Klimanutzen, die lokale Biodiversität und die von den Projekten betroffenen Gemeinden. Der Puro Earth Standard wiederum schreibt ausschliesslich Projekte gut, die Kohlenstoff abbauen und binden. Andere Standards sind noch spezifischer, wie z. B. Plan Vivo, der nur Agroforst- und Landnutzungsprojekte zertifiziert.

Letztendlich wenden sich die Projektträger an das Siegel, das am glaubwürdigsten und vertrauenswürdigsten ist und sich am besten mit den Zielen ihres Projekts in Einklang bringen lässt.

Anstehende Änderungen: Der Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) und die Voluntary Carbon Markets Integrity Initiative (VCMI)

Um Bedenken hinsichtlich der Integrität von Projekten und der Glaubwürdigkeit von Akteuren, die Emissionsgutschriften ausstellen, auszuräumen, spielen unabhängige Institutionen wie der Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) und die Voluntary Carbon Markets Integrity Initiative (VCIM) eine entscheidende Rolle im Rahmen des VCM. Ihr Ziel ist es, die Qualität, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Rechenschaftspflicht der Beteiligten des freiwilligen Marktes zu gewährleisten, damit Unternehmen vertrauenswürdige Projekte zur Reduzierung oder Vermeidung von CO2-Emissionen finanzieren können.

Vor kurzem haben diese beiden wichtigen Institutionen zusammengearbeitet, was zur Veröffentlichung eines Leitfadens führte, dem „Claims Code of Practice“. Dieses Regelwerk soll die Einheitlichkeit der Standards und der Förderkriterien gewährleisten. Die Hauptaufgaben dieses Leitfadens bestehen darin, Kriterien, Empfehlungen und Ratschläge sowohl für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen als auch für die Verwendung von Emissionsgutschriften zu geben.

Darüber hinaus streben die vom ICVCM aufgestellten Core Carbon Principles (CCPs) danach, ein globaler Massstab für die Integrität von Emissionsgutschriften mit strengen Schwellenwerten für die nachhaltige Entwicklung zu werden.

Durch die CCPs und den Claims Code of Practice, eine Reihe von Prinzipien, die auf exakten wissenschaftlichen Erkenntnissen, strengen Analysen und nachprüfbaren Daten basieren, gewährleisten diese hohen Standards für die Emission und Investition in Emissionsgutschriften eine verantwortungsvolle Analyse und Verwaltung. Diese vom VCIM und ICVCM festgelegten Kriterien stärken die Transparenz und das Vertrauen in einen noch jungen Markt, um dessen Zuverlässigkeit und Solidität zu fördern.

Schlussfolgerung

Der freiwillige Markt für CO2-Zertifikate beruht auf einem einfachen Prinzip: Private und Unternehmen sollen freiwillig in Projekte investieren können, die Treibhausgasemissionen vermeiden oder Kohlenstoff binden und dadurch Emissionsgutschriften generieren. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich der Markt für CO2-Zertifikate deutlich ausgeweitet und nimmt aufgrund der nachhaltigen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die er unterstützt, weiter an Fahrt auf.

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